Shaolin Qi Gong

Die Geschichte des Shaolintraining, genauer des Shaolin Qi Gong – der Arbeit (Gong) mit der Lebensenergie – beginnt mit dem Eintreffen des legendären indischen Mönchs Bodhidharma (chin: Putidamo) im Shaolintempel im Jahre 527 unserer Zeitrechnung. Unter seinem Einfluss wurde nicht nur der Chan-Buddhismus im Tempel wie auch in China heimisch, sondern auch buddhistisch inspirierte Qi Gong Übungen: ‘Um die ‘Natur des Geistes’ zu realisieren, ist zuerst der Körper zu stärken‘, bringt der amtierende Abt Shi Yong Xin noch heute Bodhidharmas Gedankengut auf den Punkt. Und so blicken die Übungen des Shaolin Qi Gong – auch inneres Kung Fu genannt – auf eine 1500-jährige Tradition innerhalb der Shaolin-Kultur zurück und sind Teil eines komplexen Technik- und Theoriesystems, das sich konsequent an den biomechanischen Gesetzen des menschlichen Körpers orientiert. Empirisch perfektioniert über Jahrhunderte haben die Übungen die vollständige Entfaltung (latenter) körperlicher, mentaler und spiritueller Potenziale zum Ziel.

Shaolin Ba Duan Jin – Die 8 Brokate der Shaolin

Der Name bezieht sich auf die Feinheit und die Kostbarkeit des Brokatgewebes und soll den hohen Wert der Übungen für Körper und Geist zum Ausdruck bringen. Die Urheberschaft dieser Übungsreihe wird dem legendären Boddhidharma, dem ersten Patriarchen des Chan-Buddhismus, zugeschrieben und zählt damit zu den ältesten Übungsreihen des Tempels. Die acht (ba) Stücke (duan) Brokat (jin) sind die Grundlagenübungen des Shaolin Qi Gong.  Mit diesen wird bevorzugt der Körper trainiert.

Großmeister Shi Yan Liang vermittelt die acht Hauptübungen des Ba Duan Jin eingebettet in eine Anfangs- und Schlusssequenz, sodass diese fließend ineinander übergehen und jeweils sieben mal wiederholt werden. Damit entsteht ein kontinuierlicher, harmonischer sowie vom Atem getragener rhythmischer Übungsfluss von der Einleitungssequenz über die acht Hauptübungen hin zur Schlusssequenz.

Wirkung

Den ‘Ba Duan Jin’ werden vielfältige Wirkungsweisen zugeschrieben, die zunehmend durch wissenschaftliche Studien (auch nach westlichem Standard) Bestätigung finden. Ba Duan Jin fördern die (Muskel-)Entspannung, regen die Durchblutung und den Stoffwechsel an. Sie wirken sich positiv auf die Knochendichte aus und aktivieren die Selbstheilungskräfte des Körpers. Auch Konzentrationsfähigkeit und klares Denken wird unterstützt und vieles mehr. Insgesamt besehen, sind die Übungen des Shaolin Ba Duan Jin – konsequent geübt – ein effizienter und effektiver Weg hin zu mehr Energie sowie Harmonisierung von Körper, Geist und Seele.

Shaolin Yi Jin Jing und Xi Sui Jing

Als Bodhidharma in den Shaolin Tempel kam, (be-)fand er viele Mönche von der langen Sitzmeditation gezeichnet: nicht selten war der Bewegungs- und Stützapparat geschwächt, die Organfunktion (stark) eingeschränkt. Abhilfe tat Not, war er doch der Überzeugung, dass ein höheres Bewusstsein, die absolute Weisheit, nur über einen gesunden und kräftigen Körper zu erlangen ist. Während der neun Jahre der Meditation in der Höhle oberhalb des Shaolintempels entstanden Yi Jin Jing und Xi Sui Jing, die bis heute einen hohen Stellenwert im (täglichen) Training besitzen, auch im Hinblick auf die Kampfkunst. Die Übungsreihen gehören zusammen, setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. Oftmals tauchen sie denn auch unter dem Begriff Shaolin Yi Jin Xi Sui Gong auf.

Shaolin Yi Jin Jing

Shaolin Yi Jin Jing ist die grundlegende der beiden Übungsreihen. Entsprechend ihrem Namen, stellt sie eine Methode (Jing) zur Transformation (Yi) der Sehnen und Muskeln (Jin) bereit. Dabei umfasst ‘Jin’ weit mehr, als die gängige Übersetzung vermuten lässt. Mit ‘Jin’ ist das gesamte zugehörige Funktionssystem bezeichnet: entsprechende Organe sowie deren psychischen und mentalen Auswirkung inklusive. In der aktuellen (wissenschaftlichen) Diskussion, liefern die Übungen reichlich Diskussionsstoff mit vielfacher Würdigung insbesondere im Rahmen der Spiraldynamik und des Faszientrainings.

Großmeister Shi Yan Liang lehrt die zwölf Hauptübungen eingebettet in eine Anfangs- und Schlusssequenz. Jede einzelne der Übungen wird sieben mal wiederholt. Nahtlos aneinander gereiht und vom Atem getragen, ergibt sich ein harmonischer, sanfter und wohltuender Übungsfluss.

Wirkungen

Regelmäßig trainiert, kräftigen die Übungen des Shaolin Yi Jin Jing den gesamten Bewegungs- und Stützapparat. Sehnen, Muskeln und Bänder werden gedehnt, gewinnen an Elastizität, Geschmeidigkeit und Kraft. Mehr Elastizität im Bereich des Brustkorbs ermöglicht eine tiefere, mühelose Atmung: der Körper wird besser mit Sauerstoff versorgt. Yi Jin Jing kann auch Kampfkunst, jeden anderen Sport sowie Tanz wirkungsvoll ergänzen.

Elastische Sehnen, Muskeln und Bänder beugen degenerativen Prozessen vor. Ein chinesisches Sprichwort besagt: ‘Wer seine Sehnen einen Zentimeter verlängert, kann zehn Jahre länger leben’. Mit kontinuierlicher Übung lösen sich zudem Verspannungen und Energieblockaden, der Qi-Fluss wird besänftigt mit positivem Einfluss auf die Organfunktion. Gelindert werden z.B. Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, Herz- und Kreislauferkrankungen. Die Übungen stärken das Immunsystem und aktivieren die Selbstheilungskräfte. Mit dem Zuwachs an Qi erhöht sich Vitalität, Lebensfreude und mentale Klarheit.

Shaolin Yi Jin Jing liefert einen Schlüssel zur Erhaltung von Gesundheit (einer ‘sitzenden’ Kultur), entwickelt enorme innere Kraft genauso wie schnelle Reflexe, richtet körperlich, emotional wie moralisch auf und führt zu mentaler Fitness, Klarheit im Denken, Mut und Selbst-Bewusstsein.

Shaolin Xi Sui Jing

Diese Übungsreihe ist auch bekannt unter dem Namen ‘Waschen’ oder ‘Reinigen’ (Xi) des Knochenmarks (Sui). Auch der Begriff ‘Sui’ ist in der chinesischen Medizin weiter gefasst. ‘Sui’ schließt das Nervensystem und das Gehirn (Meer des Marks) mit ein. Xi Sui Jing wurde bis in die heutige Zeit geheimgehalten: erste, von Muttertempel authorisierte, Ausbildung waren bislang nur im Shaolin Kulturzentrum Wien und Augsburg möglich.

Shaolin Xi Sui Jing besteht ebenfalls aus zwölf Einzelübungen, die in sitzender Haltung ausgeführt und, je nach Fortschritt der Praktizierenden, sieben bis 49 mal wiederholt werden. Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, setzen die Übungen die Kenntnis und Übungserfahrung des Yi Jin Jing Qi Gong, innere Ruhe und meditative Versenkung voraus.

Wirkungen

Xi Sui Jing geht tiefer als Yi Jin Jing. Atem-Qi soll zu starker innerer Energie (Gong) umgewandelt werden und bis hinein in die Zellebene wirken. Xi Sui Jing stärkt die Knochen, schützt und heilt die Haut, erhöht die Vitalität und die innere Kraft. Die Übungen verstärken die Sensitivität und verbessern die Wahrnehmung des Qi-Flusses im Körper. Blockaden, auch tieferliegender Ebenen (emotional, karmisch) können aufgespürt und gelöst werden. Innere Ruhe und Frieden kehrt ein, intellektuelle Fähigkeiten wachsen, geistige Klarheit entsteht. Und mehr noch: Xi Sui Jing kann dazu führen, dass ein Bewusstsein auf einer höheren Ebenen geschaffen wird, um so eine Harmonie zwischen Körper und Geist erfahrbar und das wahre Selbst erkennbar zu machen. Die Übungen des Xi Sui Jing dienen dem spirituellen Erwachen im chan-buddhistischen Kontext und nicht weniger außerhalb jeglicher Religion.